Aktuelle
Regelung der Baumhaftung
Die Rechtslage zu den Haftungsbestimmungen ist unklar und uneinheitlich, wobei ein Trend zu immer strengeren Haftungsmaßstäben für Baum- und WaldeigentümerInnen erkennbar ist.
Diese Situation führt zu erheblichen Rechtsunsicherheiten und hohen Kosten, auch
hinsichtlich der Überprüfungsmaßnahmen. Um diese zu senken, kommt es in weiterer Folge zunehmend zu vorsorglichem Fällen und Zurückschneiden von Bäumen. Dadurch werden zwar auch Gefahren für Dritte sowie Haftungsfälle reduziert, aber diese vorsorglichen Eingriffe in Baumorganismen haben gravierende negative Auswirkungen auf die Funktionen des einzelnen Baumes bzw. der Wälder und stehen den Interessen an vitalen, natürlichen Baumbeständen sowie der Erhaltung alter Bäume diametral entgegen. Die Ursache für diese unzufrieden-stellende Situation liegt in der derzeitigen Rechtslage in Verbindung mit der hierzu ergangenen Judikatur begründet. So werden Bäume in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung zur Baumhaftung bislang rechtlich wie „Bauwerke“ behandelt und deshalb die Haftungsregeln für Gebäude des ABGB herangezogen. Bäume sind aber Naturgebilde und daher nie so berechenbar wie Bauwerke. Außerdem resultiert aus der aktuellen Gesetzeslage eine haftungs-verschärfende Beweislastumkehr zu Lasten der Waldeigentümer, wodurch bei Unfällen von diesen der Nachweis zu erbringen ist, dass alle möglichen Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr durch Bäume unternommen wurden. Die Gesetzgeber anderer europäischer Länder, etwa in Deutschland und Großbritannien, haben demgegenüber bereits sinnvollerweise normiert, dass für „waldtypische Gefahren“ keine Haftung besteht.
Die faktischen Auswirkungen der in Österreich bestehenden Haftungssituation sind jedenfalls massiv, gerade durch die risikobedingte Schlägerung großer und zumeist alter Bäume, wobei übrigens deren ökologische und landschaftsästhetische Werte völlig vernachlässigt werden. Durch diese Schlägerungspraxis gehen die insbesondere in Zeiten des Klimawandels so wichtigen Funktionen des Waldes sukzessive verloren, sei es als Temperatursenker, als Schattenspender, als Feinstaubfilter, als Lärm-schlucker und als wichtiger Erholungs- und Lebensraum etc. Abgesehen davon, schützt der Wald Siedlungen und Straßen vor Naturgefahren wie Hochwasser, Hangrutschungen, Lawinen etc. und sichert die hohe Qualität unseres Trink-wassers.
Um der unzufriedenstellenden Rechts- und Sachlage zu begegnen, müssen Änderungen bzw. Klarstellungen durch Ergänzungen im ABGB sowie Forst- und Wasserrechtsgesetz erfolgen, wovon nur beispielhaft erwähnt werden sollen:
- Ergänzung zum § 1319 ABGB (Bauwerkehaftung), dass ein Baum, kein Werk im Sinne dieser Bestimmung ist und daher die Gebäudehaftung nicht analog auf Bäume angewendet werden kann.
- Beschluss eines eigenen Baumhaftungs-gesetzes, mit dem „waldtypische Gefahren“ grundsätzlich haftungsfrei gestellt, sehr wohl aber nachvollziehbare und mit den Klimazielen verein-bare Verkehrssicherungs- und Sorgfalts-pflichten längs öffentlicher Verkehrswege definiert werden. Nur durch das Betreten des Waldes auf eigene Gefahr lässt sich der Konflikt Waldschutz vs. Haftung lösen.
- In diesem Baumhaftungsgesetz wäre auch zu regeln, dass insbesondere in Naturschutzgebieten keine vorsorglichen Schlägerungen zulässig sind und in Naherholungsgebieten jedenfalls eine baumspezifische Güterabwägung getroffen wurde. Die gesamtgesellschaftliche Verantwortung zur Erhaltung der Bäume ist ungleich größer als die Sorgfaltspflicht zum Schutz des Einzelnen. Daher sind die Haftungsbestimmungen dieser Verantwortung unterzuordnen und nicht umgekehrt.
- Im Forstgesetz sollte, korrespondierend zum Grundsatz der „Waldfreiheit“, das Prinzip der Eigenverantwortung im Schadensfalle zur Anwendung kommen. Gleiches sollte im Wasserrechtsgesetz 1959 für das öffentliche Wassergut gelten.
- Weiters ist zu normieren, dass bundes- und landesrechtliche Regelungen zum Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz durch etwaige Haftungsbestimmungen nicht ausgehebelt werden können.
- Eliminierung bzw. zumindest Abmilderung der Wegehalterhaftung bei gleichzeitiger Stärkung der Eigenverantwortung der WaldbesucherInnen. Auf Wegen, die als ‚naturbelassen‘ bezeichnet und ausgeschildert werden, gilt auf jeden Fall ‚Betreten auf eigene Gefahr‘.